Datensicherheit im Internet

Schwere Vorwürfe gegen Facebook: die Chronik des Datenskandals um Cambridge Analytica

Nach seiner Anhörung vor dem US-Senat besteht nun auch das Europaparlament auf einer persönlichen Anhörung des Facebook-Chefs Mark Zuckerberg. Dieser Artikel fasst einmal zusammen, was bislang geschah.

Parlamentspräsident Antonio Tajani schrieb ihm: »Wir sind davon überzeugt, dass die Millionen Europäer, die von dem Cambridge-Analytica-Skandal betroffen waren, volle und gründliche Erklärungen von Facebooks Top-Manager verdienen.« Vorausgegangen waren schwere Wochen für den Social-Media-Giganten, die das Unternehmen in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt haben. Was war geschehen?

Datenmissbrauch mit 87 Millionen Geschädigten

Ende März war an die Öffentlichkeit gedrungen, dass Facebook personenbezogene Daten seiner User unzulässig mit der britischen Datenanalysefirma Cambridge Analytica geteilt hatte. Erst war von 50 Millionen Nutzern die Rede, dann von bis zu 87 Millionen. Dieser Datenmissbrauch soll offenbar vor allem Nutzer in den USA betreffen, aber auch über 300.000 Geschädigte in Deutschland und weitere Hunderttausende in vielen anderen Ländern seien durchaus im Bereich des Möglichen. Dieser »Datenklau« durch Cambridge Analytica hatte nach bisherigen Untersuchungen das Ziel, Wahlen in Amerika und Großbritannien zu beeinflussen.

Facebook verspricht mehr Transparenz

Besonders pikant: Noch bevor Facebook das volle Ausmaß des Datenskandals einräumte, änderte das soziale Netzwerk seine Datenschutzbedingungen und versprach, in Zukunft noch transparenter zu arbeiten. Nun seien die Informationen über die Datensammlung durch Facebook noch klarer, zusätzliche Informationen würden nicht mehr erhoben, die Datenverarbeitung selbst aber nicht geändert. Damit greift Facebook allerdings vor allem der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung vor, deren Regularien Zuckerberg in höchsten Tönen lobt. Eine Reaktion auf den Datenschutzskandal sind diese Maßnahmen also keineswegs.

Daten gelangten über dubiose Umfrage-Apps in fremde Hände

Anfang April beeilte sich Facebook, von dem illegalen Datentransfer betroffene User über einen möglichen Missbrauch ihrer Daten zu informieren. Auch in einer groß angelegten Anzeigenkampagne entschuldigte sich ein zerknirschter Mark Zuckerberg: »Wir haben die Verantwortung, Ihre Daten zu schützen – und wenn wir dies nicht können, verdienen wir es nicht, Ihnen zu dienen.«

Derweil werden immer skurrilere Details über die Verwendungsmöglichkeiten der abgezapften Daten bekannt. Brittany Kaiser, die ehemalige Managerin von Cambridge Analytica, teilte dem britischen Parlament Mitte April mit, dass wohl von weit mehr als den bislang geschätzten 87 Millionen Usern Daten genutzt wurden. Bis dahin war angenommen worden, Cambridge Analytica hätte alle fraglichen Nutzerdaten über die Facebook-App »This Is Your Digital Life« erhalten, einen Persönlichkeitstest des britisch-russischen Prof. Aleksandr Kogan. Diese App enthielt einschlägige Datensätze und Fragebögen.

Kaiser erklärte nun, dass ihre Ex-Firma auch andere solcher Umfrage-Apps genutzt habe, etwa die Facebook-App »Sex Compass«. Es steht zu vermuten, dass die Entdeckung von Facebooks peinlichem Datenleck einem Stich ins Wespennest gleichkommt, und noch ungeahnte Entdeckungen ans Licht kommen werden.

Namhafte Unternehmen reagieren mit Facebook-Verweigerung

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Elon Musk, Vordenker einer neuen Technologie-Generation, löschte die Facebook-Seiten seiner Unternehmen Tesla und SpaceX. Firefox-Entwickler Mozilla kündigte an, auf Facebook keine Werbung mehr zu schalten, bis das Netzwerk seine Datenschutzprobleme wieder im Griff hat. Auch der Lautsprecheranbieter Sonos unterbrach zumindest für eine Woche seine Facebook-Werbung.

Als ausgewiesenes Datenschutzkompetenzportal sehen auch wir von Datenschutz & Datensicherheit die jüngsten Vorkommnisse sehr kritisch und haben daher ebenfalls unsere Facebook-Fanpage bis auf Weiteres auf Eis gelegt.

Targeting für die Werbung statt Datenweitergabe

Wer nicht ausreichend informiert ist, könnte sich angesichts des medialen Hypes um den Facebook-Skandal fragen, worin denn eigentlich das Problem liege. Gehört denn nicht die Weitergabe von Daten zum ureigenen Geschäftsmodell von Facebook? Nein, tut es nicht!

Die gigantische Datenflut zu den Interessen von vielen Millionen Menschen macht das Unternehmen als Werbeplattform außergewöhnlich attraktiv. Kein anderes Unternehmen kann seinen Werbekunden so gezielt eine so große Zahl potenzieller Interessenten für diverse Produkte und Dienstleistungen bereitstellen wie Facebook. Daher ist auch die Mitgliedschaft per se kostenlos.

Würde Facebook jedoch Daten weiterverkaufen, würde der Konzern entgegen seinen eigenen Interessen handeln. Im aktuellen Fall könnte man daher von einer Veruntreuung von Nutzerdaten sprechen, deren Sammlung wiederum auf der Zusicherung des Netzwerks beruht, die Nutzung von Facebook für den User zu verbessern. Insofern hat Facebook keinen Datenhandel betrieben, sondern zuerst einmal grob fahrlässig gehandelt. Darin liegt die Verantwortung dieses globalen Netzwerks.

Zuckerbergs entlastender Auftritt vor dem Senat

Am 10. und 11. April stand Zuckerberg dem US-Senat Rede und Antwort oder wurde, wie es die Medien ausdrücken, »gegrillt«. Viele Wirtschaftsbosse der US-Geschichte sind schon in dieser Stunde der Wahrheit gestrauchelt.

Der 33-jährige Zuckerberg, der oft als linkisch, scheu und emotionslos beschrieben wird, trat der Anhörung bestens vorbereitet und sehr eloquent entgegen. Das muss ihm umso leichter gefallen sein, als sich abzeichnete, dass einige Senatoren von der neuen digitalen Welt nicht viel zu verstehen scheinen. »Womit verdient Facebook sein Geld? Mit Werbung, Senator.« Das war ein typischer Dialog, in dessen Verlauf der Facebook-Gründer sich zumindest gefühlt ein wenig aus der Affäre ziehen konnte. In Erinnerung werden Sätze wie dieser bleiben: »Ich habe Facebook gestartet, ich leite es, und ich bin verantwortlich für das, was hier passiert.«

Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen dieser Datenskandal für die Zukunft von Facebook haben wird. Schon bescheinigen viele Beobachter dem Netzwerk einen beginnenden Niedergang.

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